Warenkorb
Favoriten

Bildende Kunst Sculpture

Zweisamkeit, Unterbewusstsein und Zufall: das Duo Sculpture erzählt uns mehr über seine audiovisuelle Performance!
© Sculpture

Das audiovisuelle Duo Sculpture hält am Eröffnungsabend von Turn On eine Überraschung für das Publikum bereit. Auf dem Programm steht eine audiovisuelle elektronische Performance, die Sie nicht verpassen sollten! Um die Spannung noch zu steigern, haben wir Dan und Reuben, die beiden Künstler hinter Sculpture, interviewt. Erfahren Sie mehr über die Geschichte von zwei Freunden, die sich zusammengetan haben, um ihrer künstlerischen Leidenschaft als Duo nachzugehen!

Wie ist Sculpture entstanden? Welche Geschichte steckt hinter eurem Duo?

Reuben: Irgendwann beschlossen wir, gemeinsam auf einer Skulpturenausstellung an einem großartigen Ort namens Elevator Gallery“ aufzutreten, an dem Ausstellungen und manchmal auch Partys stattfanden. Die Performance lief gut und ergab sich ganz natürlich, auch ziemlich improvisiert, und es waren kaum bzw. gar keine Proben notwendig. Wir hatten dann weitere Auftritte, und irgendwann wurde daraus ein Duo. Dan machte bereits seine einzigartige Musik als Solokünstler und spielte auch in Bands, die ich kannte. Wir wussten, was der andere macht und waren außerdem Nachbarn und Freunde im alten Hackney Wick, bevor es auch dort so richtig losging mit der Gentrifizierung.

Dan: Genau, Reuben ist nebenan eingezogen. Das war ein perfekter Zufall! Ich interessierte mich für visuelle Musik und Dinge wie Len Lye, Lillian Schwarz, für die Vortex-Konzerte von Jordan Belson und Harry Jacobs. Ich war verblüfft von Reubens Animation und inspiriert von den freien Möglichkeiten dieser Art kinetischer Collage des Mediums, das er nutzte – dem Video-Zoetrop“ oder wie immer man es nennen will. Reuben nutzt es wie ein Musikinstrument; das ist visueller Turntablism. Ich selbst hatte eine ähnliche Art halbchaotischer Technik, bei der ich Musik aus unterschiedlichen Geräten zusammensetzte, stets nah an der Grenze zum Kontrollverlust. Wir wurden also ein Performanceduo wie aus einem Drummer und einem Bassisten. Ich betrachte die visuellen Elemente manchmal auch als Sänger der Band oder als Tanztruppe im Stil von Busby Berkeley.

Wie ergänzen sich deiner Ansicht nach bildende Kunst und Musik? Werden die Geschichten, die ihr euch vorstellt, durch das Verschmelzen dieser beiden Kunstformen auf eine andere Ebene gehoben?

Reuben: Ich denke, dass die Kombination aus Bildern und Musik beide Formen aufwertet, weil sie einige Ansätze wie die Basis der Collage teilen. Wenn wir zusammen spielen, fühlt es sich so an, als ob beide Formen eine weitere Ebene beitragen oder sich gegenseitig vervollständigen. Vielleicht geben sich die beiden Formen gegenseitig eine Bedeutung, aber das ist auch eine Sache der Interpretation durch die Menschen, die zuhören und zuschauen.

Dan: Es handelt sich um visuelle Musik und hörbare Bilder. Um ein Spiel freier Assoziationen.

Wie werden eure Kreationen zum Leben erweckt? Inspiriert die Musik die visuelle Kunst oder ist es andersherum? Oder arbeiten sie wirklich zusammen und entwickeln sich gemeinsam weiter?

Reuben: Mein Eindruck ist, dass wir getrennt voneinander arbeiten und dann für Shows und Aufnahmen zusammenkommen, und es scheint einfach zu funktionieren, ohne dass wir uns gegenseitig etwas vorschlagen müssen. Wenn man befreundet ist und regelmäßig über alles redet, reicht das wahrscheinlich aus für ein gewisses Verständnis.

Dan: Es ging von Anfang an um ungeplante Simultaneität. Als wir zum ersten Mal gesehen und gehört haben, was der jeweils andere machte, haben wir, trotz der unterschiedlichen Medien, beide sofort gesagt: Wir machen beide das Gleiche – was, wenn wir das einfach gleichzeitig tun würden?‘

Und dann wird daraus mehr als die Summe der einzelnen Teile. Es entsteht so etwas wie ein Oberton. Die Kombinationen, die daraus hervorgehen, sind zwar spontan, aber wir legen Bedingungen fest, von denen wir glauben, dass sie zu guten Ergebnissen führen könnten – es steckt also eine Absicht dahinter. Ich bereite Töne vor, und vor meinem geistigen Auge sehe ich anthropomorphe Kleckse und visuelle Musikspritzer im Stil von Reuben Sutherland.

Vielleicht lasse ich Dinge weg, weil ich weiß, dass dies in der Duo-Performance Raum für etwas Neues schafft, oder ich erahne, welche Elemente erforderlich sein könnten, um eine bestimmte Art von Flow zu gestalten, aber ich versuche nicht, etwas zu Ende zu bringen … Wenn ich Musik mache, die für ein Solo-Projekt oder etwas anderes gedacht ist, sind die Intention und die Energie anders, selbst wenn ich das gleiche Equipment und die gleichen Techniken verwende, sie führen woanders hin.

Wir können es kaum erwarten, euren Beitrag für Turn On zu sehen! Könnt ihr uns schon etwas zu den Geschichten dahinter erzählen?

Reuben: Flucht und Ekstase mit Horror und Rock n’ Roll!

Dan: Es sind eher assoziative Sprünge als Geschichten. Und ich schätze, Reuben steht wirklich auf Muster wie Mosaike oder sich wiederholende Formen in einer Infrastruktur, kombiniert mit organischeren Formen und Mutationen, Splattercore – es gibt Parallelen in der Musik. Es gibt auch Hinweise, popkulturelle Referenzen zum Beispiel, manchmal erkennbare Personen, ausgeschnittene Papierpuppen, es gibt menschliche Aktivität, kulturelle Kommunikation (ein bisschen wie die Reste alter analoger Tonbänder, die man auf dem Flohmarkt findet und die eine obskure Botschaft vermitteln).

Bei der Arbeit an Nearest Neighbour, einer Graphic Novel ohne Worte, haben wir gesagt:

Die Töne könnten ein Schlüssel sein, um die wortlose Welt verstehen zu können, die auf den Buchseiten zu sehen ist, aber das ist nur eine Theorie. Die Abfolge der Umgebungen deutet auf eine mögliche Erzählung oder zumindest auf einen Streifzug durch den Komplex hin. Da ist eine seltsame Logik am Werk, aber ist es eine mystische Reise oder ein Katalog aus Stoffmustern und Teppichen?“

Die Muster darin sind irgendwie sprachlicher Natur – es wird etwas gesagt – was ist es? Nearest Neighbour ist unter dem Eindruck der extremen Gentrifizierung und Umgestaltung entstanden, die damals um uns herum in Hackney Wick stattfand. Aber wir neigen nicht dazu, konkret zu werden, wir sind mehr auf Andeutungen und Abstraktion aus. Wie Reuben schon sagte, lädt das Werk zur Interpretation durch das Publikum ein.

Welche Art von Emotion möchtet ihr beim Publikum auslösen?

Reuben: Ich möchte keine bestimmten Emotionen zum Ausdruck bringen, aber das Gefühl, dass es keine zwei getrennten Dinge sind, wenn die Leute gleichzeitig zuhören und zuschauen. Außerdem ist es einmalig, es ist nie dasselbe und es macht Freude, ähnlich wie die Freude, die man empfindet, wenn man wilde, tosende Wellen beobachtet.

Dan: Eine Art von sehr unmittelbarer Wahrnehmung, die Menschen dazu bringt, eine Weile aus sich selbst herauszutreten.

Wie und wo findet ihr die Inspiration für eure vielfältigen Werke?

Reuben: Ich denke, ehrlich gesagt, das ist das Ergebnis eines Lebens, in dem ich schon viel Musik gehört und Animationen gesehen habe, die nirgendwo hineinpassen wollen. Da gibt es so vieles, was mich inspiriert –‚Sculpture‘ ist der primäre Output, und der ist frei und ungezwungen.

Dan: In metamorpher Musik wie Musique concrète, Hip Hop, Dub und Free Jazz. In Pop-Cut-up-Experimenten. In der Körperlichkeit von Rock und Disco. In der Art und Weise, wie Musik und Klang in abstrakten Filmen und Cartoons eingesetzt werden. In den einfallsreichen Gedankensprüngen der frühen elektronischen Musik. Wir wollen audiovisuelle elektronische Happenings mit der Energie des Garage-Punk machen.

Malculus, eure schwarze Vinyl-Single mit zoetropen Etiketten in der Mitte, ist uns ins Auge gefallen. Es wird beim Kauf zu einer Form von partizipatorischer Kunst: das Publikum muss sie ausschneiden, auf eine Schallplatte legen und dann filmen, um die Zeichnungen zum Leben zu erwecken. Wie kamt ihr auf dieses Konzept?

Reuben: Ich würde sagen, dass Comics, die Motive zum Ausschneiden auf der Rückseite von Cornflakes-Packungen, Steuerbelege, darling slaughter und die Cramps uns auf dieses Konzept gebracht haben.

Dan: Was ist darling slaughter’? 

Reuben: Es bedeutet, dass man in der Lage ist, eine Idee zu verwerfen, wenn man weiß, dass sie weg muss, auch wenn man bereits darin investiert hat.

Dan: Uns gefällt auch die Idee, Zines und DIY-Medien zu machen, alle zu ermutigen, selbst etwas zu machen und eine Feedbackschleife zu schaffen.

Live-Auftritte, Video, Musik, visuelle Kunst – euer Duo deckt vieles ab und steckt voller Überraschungen! Wenn ihr ein Werk herausgreifen müsstet, das einen besonderen Platz in eurem Herzen einnimmt, welches wäre das?

Reuben: Ich denke, Plastic Infinite 7″ ist ein Highlight unserer Combo.

Dan: Ja, Plastic Infinite ist definitiv ein äußerst effektives Destillat. Wir bezeichnen die Platten/​Medien halb im Scherz als Nebenprodukte“. Uns faszinieren die Möglichkeiten, die verschiedene Medienformen wie Filme und Zines bieten, aber in der Herstellung von Zoetrop-Vinylbildplatten scheinen sich unsere zentrale Idee und unser fortlaufender Prozess perfekt zusammenfassen zu lassen. Wenn wir all dieses Material anhäufen und bearbeiten, wird alles durch die Live-Performances wieder in sich selbst zurückgeführt – auch wenn die Platten immer nur eine mögliche Momentaufnahme dessen sind, wozu der Prozess führen könnte.

Deshalb sprechen wir von der Erzeugung temporärer Zustände“ – erst der Augenblick, dann das Dokument. Unsere erste Zoetrop-Vinyl-LP, Rotary Signal Emitter, die 2010 bei Dekorder erschienen ist, fühlte sich an wie ein energetischer Marker, da eine Abfolge ausgezeichneter Zufälle zu dieser Form geführt hat und darin eine Einheit bildete. Die Dinge sind perfekt gelaufen (natürlich ist es eine sehr chaotische Platte … wir wollen Chaos, aber perfektes Chaos, haha).

Könnt ihr uns etwas mehr über die Techniken erzählen, die während euer Live-Performances zum Einsatz kommen?

Reuben: Die visuelle Technik ist so einfach, wie sie aussieht: Gedruckte kreisförmige Muster werden auf einen sich drehenden Plattenspieler gelegt, von oben gefilmt und projiziert, wodurch Animationen auf der Leinwand entstehen. Der Trick ist einfach: Wir berechnen die Geschwindigkeit des Plattentellers und die Verschlusszeit der Kamera und wissen durch eine einfache Gleichung, wie häufig der Kreis unterteilt werden muss.

Dan: Ich benutze ein paar Sampler, ein CDJ-Deck, ein abgenutztes Tonbandgerät und ein paar Effektgeräte, und die Herangehensweise ist ähnlich wie bei einem DJ. Man nimmt vorbereitetes Klangmaterial, wirft es in eine Art chaotisches Arrangement von Instrumenten und schaut sich an, wohin das führt. Es gibt Routinen, auf die ich immer wieder zurückgreife, Tracks‘ oder Versatzstücke und viel Spielraum für Improvisation. Das verbindet sich mit dem, was Reuben macht, nämlich, sich aus dieser Bibliothek‘ von zoetropen Drucken zu bedienen, die er erstellt hat (es gibt Hunderte, vielleicht sogar 1.000 – zu viele, um sie alle auf einmal herauszubringen), sie auf den Plattenteller zu legen, diese hyperkinetischen Visionen zu projizieren, die wirklich aus dem Stegreif entstehen, und zu sehen, welche sichtbaren und hörbaren Assoziationen sich ergeben.

Nennt uns drei Wörter, um zu beschreiben, was das Konzert ausmacht, das ihr am Eröffnungsabend von Turn On geben werdet.

Reuben: Ich würde sagen Miteinander, Unterbewusstsein.

Dan: Und Zufall!