Vom 21. Januar bis zum 12. Februar können die BesucherInnen der Ausstellung Flip off durch die Daumenkinos von rund 15 IllustratorInnen und GrafikerInnen aus Luxemburg und anderen Ländern blättern. Aus diesem Anlass haben die Rotondes bei Marie Lavis die Gestaltung eines exklusiven Daumenkinos in Auftrag gegeben. Und wir haben mit der Schöpferin des Buches Tandem Running gesprochen.
Flip off Marie Lavis
Der musikalische Einfluss ist in deiner Arbeit nicht zu übersehen, Marie. Hast du dieses Element schon immer bewusst gepflegt?
Ich habe mich schon sehr früh für Musik begeistert, auch wenn ich keine Musikerin bin. Die Verbindung von visueller Kunst und Musik kam aber erst später, 2017, als ich während meines Studiums die Animation für mich entdeckte. Wir sollten eine Animation erstellen, die auf einem poetischen Text beruht, und ich entschied mich für “Meme Iren Song” von Yael Naim, ein Song-Gedicht, das ihrer Großmutter gewidmet ist und das mich sehr berührt hat.
Damals habe ich begonnen, Musik anders zu hören, mir die Zeit zu nehmen, mich wirklich auf ein Stück einzulassen und auf alle Töne und Worte zu achten. Für mich ist Musik eine Inspirationsquelle, eine Spielwiese, dir mir hilft, das auszudrücken, was ich ausdrücken möchte. Als Grundlage für mein Bachelorprojekt habe ich ein anderes Stück gewählt, diesmal von Shai Maestro, und mit der Zeit habe ich immer wieder die Verbindung zur Musik und zu Musiker*innen gesucht.
Hat sich das Zeichnen für Musik auf deine Vorgehensweise ausgewirkt?
Ich zeichne mittlerweile sehr frei, was mir vorher nicht vertraut war. Ich habe mich gefragt, wie sich Geräusche und Emotionen wiedergeben lassen, und habe mich ein wenig befreit. Ich bin von einem sehr starren zu einem viel flüssigeren Prozess übergegangen, vor allem bei Tusche und Pinsel, die eine sehr fließende und etwas gröbere Bewegung mit sich bringen.
Ich gestalte Illustrationen für Jazz-Magazine und Plakate, und dieser Prozess ist starrer, weil ich ein perfektes Bild anstrebe. Wenn ich hingegen Animationen für Musik mache, ist meine Art zu zeichnen viel lockerer, spontaner und freier. Umso mehr, als man beim Zeichnen einer Animation für eine Sekunde mindestens 12 Bilder erstellen muss, 24, wenn man es richtig gut machen will. Man hat kein einzelnes perfektes fertiges Bild im Kopf, sondern denkt an Tausende von Bildern und an die Bewegung, die sie erzeugen. Und wenn dann eines von Tausenden von Bildern nicht perfekt ist, spielt das keine große Rolle.
Schränkt das Daumenkino als Format sehr ein?
Ich bin diese Aufgabe wie eine Illustrationsarbeit angegangen, indem ich über Struktur und Aufbau nachgedacht habe. Natürlich gibt es Einschränkungen, die es zu beachten gilt: Bei der Einarbeitung in das Flipbookit-Gehäuse musste ich beispielsweise darauf achten, dass die Haupthandlung nicht genau in der Mitte stattfindet. Zweitens ist ein Daumenkino recht kurz, so dass man sich nicht in kleinen Details verlieren darf. Ich habe Tandem Running mit Tusche gezeichnet, aber ziemlich präzise. Trotz allem haben mich diese Einschränkungen nicht behindert, sondern ich habe sie benutzt, um mich auszudrücken.
Was macht deiner Ansicht nach ein gelungenes Daumenkino aus?
Für mich gibt es zwei Dinge, die dazu führen, dass ich ein Daumenkino noch einmal in die Hand nehme, um es mir anzuschauen. Das ist zum einen die Botschaft, die in der Geschichte vermittelt wird. Ich würde es mir mehrmals anschauen, um die Erzählung und ihre Aussage zu verinnerlichen. Und dann wäre da noch der Überraschungseffekt, das Unerwartete, in der Bewegung des Bildes, der Wunsch, noch einmal zu sehen, wohin sich dieses Bild am Ende in dem zur Verfügung stehenden Raum bewegt.
Könntest du uns spontan etwas nennen, das dich bildlich geprägt hat, und aus welchem Grund?
Oh, da muss ich nachdenken …Aber ich würde sagen, der französische Illustrator Serge Bloch. Ich kenne ihn schon von klein an, weil er Max et Lili illustriert hat, diese kleinen Comics für Kinder, in denen ein wenig komplexere Themen kindgerecht erklärt werden. Später habe ich seine anderen Arbeiten entdeckt, wunderbare Line-Art. Seine Bücher haben mich sehr geprägt, weil seine Bilder mit wenig viel sagen. Dieser Künstler hat mich enorm inspiriert.